49,7 Kilometer – 8:31 Stunden (inklusive Pausen) – 1514 Höhenmeter

Es ist schon ein besonderer Moment, wenn es dann wirklich losgeht. Über ein Jahr Planung und Vorbereitung. Die letzte Woche war zwar trainingsfrei, aber trotzdem turbulent. „Wieviele langärmelige Oberteile nimmst du mit? Hast du noch Rei in der Tube? Was wiegt dein gepackter Rucksack?“
So gehen unzählige Nachrichten hin und her. Eine von Christoph an Andre hat es besonders in sich. Ein Zeitungsartikel berichtet von einer offiziellen Warnung vor Bären in Slowenien. Das Land hat im Alpenraum die mit Abstand höchste Bärenpopulation. Aber was macht man, wenn man plötzlich so einem Tier gegenüber steht?
Beim großen A gibt es „Bären-Abwehrspray“. Bestellen Sie innerhalb der nächsten 8 Stunden und sie erhalten es noch vor Ihrem Alpencross. Schnell die Rezensionen gecheckt. Was man sich als Käufer wünscht? „Hat in allen 4 Fällen funktioniert“ oder „klappt auch bei Angriff von 2 Bären gleichzeitig!“ Stattdessen aber nur „gibt ein sicheres Gefühl“ und „Gott sei Dank nicht gebraucht!“ Sollte der andere Teil der Käufer es eventuell schlichtweg nicht überlebt haben?
Trotzdem hat nun jeder von uns so eine Dose am Schultergurt befestigt und auch wir hoffen, dass wir es nicht benötigen.


Der Bezug der Slowenen zu ihrem Nationaltier ist nicht zu übersehen. Auf unserem Campingplatz stehen hölzerne Skulpturen in den verschiedensten Variationen. Für die kommenden 7 Tage wird das vermutlich unser Running Gag. Also entschuldigt, falls es mal zu viel werden sollte. Aber vielleicht kommen wir ja auch nur bis Tag 2…

Und nun sind wir heute Morgen um 7 Uhr, nach einer Stunde Autofahrt von unserem Campingplatz in Slowenien, auf österreichischer Seite in Villach. Christoph hat ein Café für ein Frühstück herausgesucht. Der Besitzer schaut uns zwar im ersten Moment so an, als ob sonst noch nie jemand zum Frühstück gekommen wäre, aber das haben wir falsch interpretiert. Es schmeckt hervorragend und ist der perfekte Start in die Tour.

So geht es um 8 Uhr los zum Startpunkt. Wir schlängeln uns durch den Stadtverkehr und kommen bald zum ersten Anstieg, dem ersten von insgesamt zwei unserer heutigen Etappe. Der hat lediglich 170 hm, beim zweiten beschäftigen uns 1200 hm. Wir kommen in einiger Entfernung vorbei am Faaker See und freuen uns, dass wir bald in die Natur verschwinden können. Und so beginnt dann auch der Anstieg 2/2. Recht früh ist es schon warm und vor allem in der prallen Sonne kommen wir schnell ins schwitzen.

Christoph hat sich entschieden, seine Trinkblase vollgefüllt mitzunehmen. Das bedeutet zwar zu Beginn 3 Kilogramm mehr auf dem Rücken, aber 4-5 Liter Flüssigkeit braucht man am Tag mindestens.
Andre hingegen hat lediglich zwei Fahrradflaschen vollgemacht. Auf einem Hof läuft gerade eine Frau vorbei, für die es kein Problem ist, die Flasche voll zu machen. Randnotiz: Wenn die Frau am Hof Heidi aus dem Alpencross von 2022 war, ist Heidi weg von Crystal Meth gekommen.
Und auf dem Gipfel angekommen hoffen wir auf eine Alm mit einem kühlen, alkoholfreien Weizen.
Wir kurbeln weiter den Berg hinauf. Es ist ein breiter, geschotterter Forstweg, der sich gut fahren lässt. Zwischendurch ergeben sich Blicke auf den Talkessel mit dem türkisfarbenen Faaker See. Wir saugen die Momente auf und lassen uns Zeit. Wer weiß, wann es dazu die nächste Gelegenheit gibt

Ein Schild weist uns auf das Bärengebiet hin. Die Wege soll man keinesfalls verlassen. Geht klar, haben wir sowieso nicht vor.

„Hinter der nächsten Kurve haben wir es geschafft, bestimmt.“ Okay, es geht noch weiter hoch. Immer wieder zieht mal ein E-Biker an uns vorbei. Klares Zeichen, dass dort oben irgendwo eine Alm sein muss. Doch als wir dann wirklich den höchsten Punkt des Tages erreicht haben, ist dort weit und breit keine Gastronomie zu erkennen. Hinter der nächsten Kurve geht es bereits an die Abfahrt. Sicherlich kommt dann im Verlauf was. Es sei vorweg genommen: Nein. Aber dafür wird die Fahrt von etwas anderem gestoppt: ein großer Holzstapel versperrt den kompletten Weg. Unterhalb des Stapels kommen wir definitiv nicht daran vorbei. Es geht einfach nur runter, gefühlt annähernd senkrecht. Also klettern wir hinauf (liebe Kinder, bitte niemals nachmachen!).

Die Fahrräder und uns dort hoch zu bekommen wäre sicherlich irgendwie machbar, aber auf der anderen Seite ist nur ein steiler Felshang. Keine Chance. Wir starten Komoot, was aufgrund fehlender Internetverbindung ewig dauert, und suchen nach einer Alternative. Etwas zurück ist ein Weg als gestrichelte Linie eingezeichnet und wir entscheiden uns, es dort zu probieren. Und damit endet dann der Vorsatz, die Wege nicht zu verlassen. Running Gag die 231.: „Das ist bestimmt Bärenbrutgebiet.“ Der Pfad ist schmal und führt in Kehren hinab. Der Bär wartet sicherlich nur darauf einen von uns isolieren zu können. Andre und Christoph bleiben also dicht zusammen. Wir setzen die Räder immer wieder um und arbeiten uns langsam nach unten. Andre wollte nach dieser Tour sowieso gerne wandern. Der Abschnitt hier bestätigt: Das Fahrrad bleibt bei der Wanderung zu Hause.

Nach etwa 30 Minuten Abstieg kommen wir am Fuß des Bergs an und dieses eine Mal können wir dem Klimawandel etwas gutes abgewinnen. Wäre hier der Fluss, für den sich das Bett vor uns erstreckt, wäre eine Überquerung unmöglich gewesen. Stattdessen fließt hier nur ein mickriges Rinnsal und wir kommen relativ einfach auf die andere Seite und damit zurück auf unsere ursprüngliche Route.

Jetzt können wir entspannt weiter rollen lassen, glauben wir. Das Gebiet scheint ein großer Steinbruch zu sein und der grobe Schotter zwingt zur vorsichtigen Fahrt, sofern man nicht in einer Kurve geradeaus den Abhang hinunter fahren möchte. Plötzlich stehen wir in einem Tunnel, der aber am Ende verschlossen ist. Die Strecke führt sowieso nicht hier lang. Kurz zuvor ist ein Weg. Den slowenischen Hinweis auf dem Schild verstehen wir nicht. Aber es geht um Signale und Sprengungen.
Und somit geht es ein zweites Mal über einen schmalen Pfad hinab. Der Weg endet in einem riesigen Geröllfeld. Hier unten landet das gesprengte Gestein und wird dann abtransportiert. Der Rest rutscht dann von oben nach. Und das macht es, selbst wenn wir uns vorsichtig hindurch bewegen. Selbst 10 Meter über uns beginnen die Steine abzugleiten und wir sind froh und leicht adenalinisiert, als wir auch diesen Abschnitt geschafft haben.

Vor uns liegt der letzte Abschnitt unseres Tages, ein Radweg. „Da gibt es etwas zu trinken!“, ruft Christoph, als am Wegesrand ein Open-Schild zu einer Pause einlädt. Ist aber leider doch closed und so fahren wir enttäuscht ir weiter.
Im nächsten Ort kommen wir an einem Restaurant vorbei. „Cyclists Welcome“ heißt es dort verheißungsvoll und wir entschließen uns, 5 Kilometer vor dem Ende noch eine Pause einzulegen. 2 alkoholfreie Erdinger sollen es sein. Als der Kellner serviert, klärt er uns auf: „Sorry, one is cold but the other one is not so cold. Not really warm but not so cold.“ Christoph, dem das Getränk beim Trinken durchaus in der Speiseröhre gefrieren darf, entgleiten die Gesichtszüge. Wir mischen halb und halb und Christoph schmunzelt: „Ich male jetzt ’nen 5€-Schein und sag ihm dann one is real and the other one is not so real. Not really false but not totally real.“ Andre muss laut lachen.

Währenddessen beginnt es zu regnen und zu gewittern. Auf dem Regenradar ist erkennbar, dass wir besser noch hier sitzen bleiben und abwarten. Christoph bestellt einen Cappuccino und eine Cola. So richtig rund läuft der erste Tag nicht. Der Kellner steht mit 2 Cappuccino vor uns und darf einen davon gegen die Cola eintauschen gehen. Die ist dafür aber kalt und mit Eiswürfeln.

Nachdem der erste Teil des Gewitters abgezogen ist, fahren wir die letzten 5 Kilometer bis Kranjska Gora und checken im Hostel ein. Die Unterkunft hat wahrlich schon bessere Tage gesehen, für uns reicht es aber vollkommen aus.
Es hat sich zwischenzeitlich eingeregnet und nach einer wohltuenden Dusche gehen wir in Regenkleidung in den Ort. Wir finden ein Restaurant und sind positiv überrascht von den Preisen, Schweinsbraten für 12€.
Den Rückweg vom Restaurant treten wir im Sonnenschein an. Und so endet unser erster Tag und wir sind gespannt, welche ungeplanten Abenteuer in den nächsten Tagen auf uns warten.