Die heutige Tour ist geplant als erster Stresstest vor unserer großen Tour Ende Juli von Villach (Österreich) nach Piran (Slowenien) ans Meer.
Bis zur Erschöpfung und dann kommt noch ein weiterer Anstieg lautet das heutige Tagesmotto.

Der Blick auf das Höhenprofil unser durchaus gemütlichen Sonntagskaffeefahrt zeigt, es sind eine Menge Anstiege zu bewältigen. Wir starten um 7:00 Uhr – oder besser doch erst um 8:00 Uhr wegen des Regens. Okay, machen wir 8:30 Uhr. Nun ist aber endgültig Schluss mit dem Verschieben!
Christoph startet also pünktlich und sammelt Andre zu Hause ein. Das Navi schickt beide jedoch zurück zu Christoph und behauptet nach etwa 5 Minuten Fahrtzeit: „Die Tour ist beendet!“. Ein wirklich guter Start in solch einen langen Tourtag 🙂
Unser heutiges Ziel ist Steineroth, ein Dorf oberhalb von Betzdorf im Westerwald. Wir fahren zunächst in Richtung Freudenberg und folgen den Anweisungen des Navis, das beharrlich „Bitte wenden“ meldet nicht. Ein kurzer Stopp bringt jedoch die ernüchternde Erkenntnis: Wir befinden uns erneut auf dem Rückweg. Also heißt es umdrehen – diesmal zur gegenüberliegenden Seite Freudenbergs, um die Tour endlich zu beginnen. Immerhin sind wir erst 45 Minuten unterwegs, denkt sich Christoph sarkastisch.
Durch die Wärme und Regenfälle der letzten Woche ragen die Büsche und Bäume weit in die Wege hinein. Selbst mit heruntergelassener Sattelstütze müssen wir uns oftmals tief ducken. Andre fallen die Stunt-Reiter der Karl May Festspiele ein, die sich bei ihrem Ritt über die Bühne seitlich an ihre Pferde hängen. Bei richtiger Geschwindigkeit und Click-Pedalen sollte das doch auch mit dem Fahrrad machbar sein, oder? Da Andre ohne Click fährt, wäre es an Christoph, das bei Gelegenheit auszuprobieren.
Bevor es dazu kommt, entdeckt der jedoch im Wald einige Fellbüschel – Frischlinge. Rund zehn kleine Wildschweine huschen durchs Unterholz, zum Glück ist keine Bache in Sicht. Andre und Christoph treten lieber etwas kräftiger in die Pedale – wir wollen wirklich nicht herausfinden, wo Mutter Wildschwein gerade steckt.

Ab jetzt führt unser Weg direkt Richtung Freusburg, dort haben wir auch die erste Pause eingeplant. Die Freusburg lassen wir jedoch links liegen, der zusätzliche Anstieg erscheint Andre in Anbetracht der noch zu fahrenden Strecke zu viel. Wir passieren die Freusburger Mühle, auch schön hier:


Nach einer Stunde und 48 Minuten essen wir den ersten Riegel der Tour mit Blick auf die Gemeinde Kirchen.

Weiter geht der Anstieg, wo ist eigentlich der Weg hin? Zugewachsen! Voller Elan schieben Andre und Christoph einen alten Singletrail hoch. Hier könnte Thomas auch mal mit seinem Freischneider hin, denkt Christoph. Nächster Halt: Betzdorf! Sieht alles ganz nett aus – doch wir müssen erstmal wieder hinunter ins Tal, um den folgenden größten Anstieg der Tour nach Steineroth in Angriff zu nehmen. Wieder einmal befinden wir uns auf der falschen Seite des Berges. „Die rund 1700 Höhenmeter am Ende des Tages kommen ja auch nicht von irgendwoher“, meint Andre nur trocken.


Ziel erreicht: Nach 30,4 Kilometern kommen wir in Steineroth an. Der Anstieg dorthin war natürlich nicht durchgehend befahrbar – teils zugewuchert mit Unkraut, teils einfach zu steil. „Vielleicht planen wir die nächste Radtour direkt als Wanderung“, wirft Andre halb im Scherz ein. Ab jetzt bewegen wir uns übrigens auf dem sogenannten Druidensteig. Unsere nächste Pause legen wir in Scheuerfeld ein. Dort prägt Andre den Spruch des Tages: „Mehr als die Hälfte des Weges ist schon geschafft – und die restlichen Anstiege sahen auf Komoot auch nicht mehr so wild aus!“


Direkt nach Scheuerfeld beginnt der nächste Anstieg, es geht recht steil bergauf und Christoph zweifelt bereits jetzt schon an Andres Aussage von eben. Rückwirkend betrachtet steht beiden der schwerste Anstieg der Tour sogar noch bevor, der Anstieg nach Katzwinkel. Wie konnte Andre sich nur zu solch einer Aussage verleiten lassen? Wir werden wohl nie erfahren wo der plötzliche Übermut hergekommen ist. Man hätte natürlich auch direkt durch Katzwinkel durchfahren und rund 10 Kilometer Weg sparen können, wir wollten aber noch das schöne Mühlental sehen:

Bitter nur, dass wir im Mühlental die in Komoot markierte Stelle einfach nicht finden – also fahren wir unverrichteter Dinge weiter. Egal, jetzt ist Endspurt angesagt. Die dritte Pause und der nächste Riegel warten in Katzwinkel, stilecht an einem Bolzplatz. Danach geht es weiter Richtung Tüschebachs Weiher in Fischbacherhütte.


Zwei Anstiege sind nur noch zu bewältigen. Unsere Beine sind/werden müde. Christoph lädt Andre auf ein alkoholfreies Radler bei sich zu Hause ein. Wir biegen auf den Radweg in Freudenberg – den letzten Teil dieser Tour werden wir schon überstehen.
Plötzlich keimt Hoffnung auf:
Andre hat gesehen, dass seine Frau bei Christophs Frau zu Hause ist. „Die beiden wollen uns nach unserer Tour sicher mit leckerem Gegrillten und tollen Salaten empfangen“, fantasiert er hoffnungsvoll.
Mit diesem Gedanken im Kopf mobilisiert Christoph seine letzten Kräfte, um auch den finalen Anstieg zu bezwingen. Doch leider vergeblich – er legt sein Fahrrad am Straßenrand ab und sinkt völlig erschöpft daneben.
„Ich kann nicht mehr“, hört Andre von hinten. Christoph ist am Ende.
Ein letzter Energieriegel (Nummer 4 für heute) bringt neue Kraft, und gemeinsam nehmen sie den finalen Anstieg in Angriff.
Stolz, es doch noch geschafft zu haben, rollen wir bei Christophs Haus vor. Und tatsächlich: Das Auto von Andres Frau steht vor der Tür, und es duftet verführerisch nach Gegrilltem.
Ein Traum!
Leider grillt nur Christophs Nachbar 🙁
Wir trinken 2 alkoholfreie Radler und erzählen den Frauen von unserer Tour.