Es klingt zugegebenermaßen etwas theatralisch, aber es stimmt nun mal: alles, was wir an diesem Tag machen, wird für uns das letzte Mal auf dieser Tour sein. Der letzte Anstieg, die letzte Abfahrt, die letzte Pause, …
Doch zunächst sind wir noch in Madonna di Campiglio. Im übrigen ein Ort, wie er touristischer nicht sein könnte. Hier reiht sich Hotel an Hotel. Auf der Ortsdurchfahrt am gestrigen Nachmittag entdeckten wir Hotels, die wohl mehr Wohnfläche als ein komplettes italienisches Bergdorf haben.
Die italienischen Weißmehlbrötchen sind wenig gehaltvoll. Auch das Müsli war auf den anderen Etappen irgendwie besser. Aber es ist ja auch das letzte Frühstück.
Wir verlassen den Ort über eine einsame Teerstraße, die scheinbar bei Joggern sehr beliebt ist. Kurze Zeit später fahren wir über einen Wurzeltrail hinab. In der Nähe hören wir ein Rauschen, ein Tal mit einem Wasserfall eröffnet sich uns. Wird es bereits der letzte Wasserfall sein?

Und „schwupps“ packen Andre und Christoph wieder die Wanderschuhe aus, es darf geschoben werden…
Der erste (leider noch nicht der letzte) Anstieg liegt vor uns, 600hm auf 6,5km. Insgesamt fühlt sich das schon knackig an, da wir ja bereits über 11.000hm in den Beinen haben. Ein Schild warnt vor Bären. Wie würden wir reagieren, wenn so ein Tier plötzlich aufkreuzen würde? Auf dem Rad bergab flüchten? Dann müssten wir ja alles noch einmal hoch. Vergessen wir den Gedanken, es wird schon nichts passieren.
Wir kommen an einen malerischen Bergsee. Eine Gruppe sitzt an einem Tisch und scheint eine Sonntagsmesse im Freien abzuhalten.
Der steile Abschnitt unseres Anstiegs beginnt. Wir schieben die Räder bei teils mehr als 20% Steigung den Berg hinauf. Eine Kuhherde steht auf unserem Weg. Hoffentlich ist es die letzte! Da Andres Trikot über Nacht nicht getrocknet ist, hat er es außen am Rucksack befestigt. Für das Erinnerungsfoto am Gardasee braucht er es schließlich. Reagieren Kühe ähnlich wie Stiere auf Signalfarben? Nur schnell vorbei.

Zwischendurch blicken wir zurück auf den kleinen Bergsee.

Teilweise müssen wir die Fahrräder hohe Absätze hochstemmen. Bei den Temperaturen wahrlich kein Spaß.

Am Passo del Gotro angekommen, genießen wir noch einmal den Ausblick, der uns so oft für unsere Strapazen entschädigt hat. Etwas wehmütig wissen wir, dass wir wohl so schnell nicht mehr in solche Höhen kommen werden.
Auf jeden Anstieg folgt eine Abfahrt. Diese hier ist 20 Kilometer lang und dauert etwa eine Stunde. Irgendwann wird das Ziehen der Bremshebel lästig. Wir könnten sie mit Kabelbinder fixieren, dann wären diese wenigstens auch mal zum Einsatz gekommen.
Die Beiden erreichen Stenico, hier wird erstmal zünftig Pause gemacht. Es gibt Forst 0,0% und ein Schinken Käse Panini. Das Schild verheißt Gutes, Riva 29km. Es wird schon gerechnet, wann der Gardasee erreicht wird. Andre schwant jedoch, dass er heute ein Energiedefizit hat. Die Oberschenkel sind leer. Das Panini liefert auch keinerlei Energie.
Aber es hilft ja nichts, weiter geht es. Die letzten 500 Höhenmeter – einmal Kindelsberg und Eichener Wand.
Andre findet, dass das hier bei 40 Grad nicht der Kindelsberg ist, sondern eher Sparta. Es geht zwischen Maisfeldern hindurch, von Schatten keine Spur.
Noch einmal eine Pause und der Versuch, irgendwie Energie in Andres Körper zu bekommen. Im Sitzsack in der prallen Sonne liegen und frieren. Die Erschöpfung ist einfach zu groß.

Der legendäre Pinza Trail, ein alter Eselskarrenweg, kündigt das Ende unserer Reise an. Unzählige Mountainbiker haben hier bereits ihren Alpencross beendet. Und bald werden auch wir dazu gehören. Es waren 8 Tage, die uns manches Mal an unsere Grenzen gebracht haben. Wir haben Erfahrungen machen dürfen, die uns niemand mehr nehmen kann. Mit 42 haben wir eine Vielzahl an Antworten gefunden. 8 Tage, in denen nicht alles glatt lief. Wer aber glaubt, so eine Tour sei ohne Zwischenfälle möglich, ist wahrscheinlich einfach naiv. Und doch war es verhältnismäßig wenig, was eine Planänderung benötigte. Alle möglichen Pannen und Schäden an unseren Rädern hatten wir wohl schon in den 2 Jahren Vorbereitungszeit. Keine gerissene Kette, keinen einzigen Platten. Ihr erinnert euch noch an die Satteltasche, wegen der wir am Tag 1 in Garmisch unseren Familien hinterher gefahren sind? Die ist ungeöffnet geblieben. Aber wehe, wir hätten sie nicht dabei gehabt.

Und dann, hinter einer Kurve, taucht er auf: der Gardasee.

Die letzten Serpentinen aus Kopfsteinpflaster fahren wir hinab und kommen nach Riva del Garda. Durch die Fußgängerzone hindurch gelangen wir auf einen Marktplatz. Links oder rechts am Gebäude vorbei zum Ufer? Es ist laut auf dem Platz, und doch ist da irgendetwas, was markanter ist als alles andere. Ruft da jemand “Papa“? Und plötzlich sehen wir unsere Töchter, die auf uns zurennen. Wir legen die Bikes ab und schließen sie in unsere Arme. Es ist der richtige Moment für ein paar Tränen.
Schnell noch das obligatorische Erinnerungsfoto. Andres Trikot ist zwischenzeitlich wieder trocken. Der Rest der Familien wartet auf dem Campingplatz am Ledrosee auf uns.

Es gibt alkoholfreie Cocktails und die Kinder tanzen uns vor, was sie in der Woche Animation gelernt haben.
Gebannt lauschen wir den Erlebnissen, die sich während unserer Abwesenheit ereignet haben. Aber das würde wohl einen ganz eigenen Blog füllen…