„Mein Magen grummelt“ ist Christophs erster Satz, nachdem er die Augen aufschlägt. Frühstück ist heute erst ab 7:30 Uhr, die beiden haben also länger geschlafen als sonst.

Andre kann sehr gut nachvollziehen, was er meint und reicht ihm eine Imodium. Ihm hingegen scheint es heute wieder gut zu gehen.

Beim Frühstück hält sich Andre jedenfalls nicht zurück. Das typisch italienische Weißbrot bleibt zwar im Korb, aber die Auswahl an Erdbeeren, Blaubeeren und Melone mit Schinken ist köstlich.

Christoph hingegen, der normalerweise nie einer Mahlzeit abgeneigt ist, scheint heute Morgen eher über den Produktionsprozess von Käse zu sinnieren. Zumindest starrt er ihn so an.

Die letzten Vorbereitungen sind getroffen und nach einem Abschiedsfoto für das Hotelalbum geht es, 45 Minuten später als sonst, los.

Die Herzlichkeit im Da Giusy hat uns sehr gefallen!

Nach der ersten Kurve versichert sich Andre, ob sich der Reisebegleiter sicher ist, die über 2000 Höhenmeter mit seinem körperlichen Zustand schaffen zu wollen. “Aufgeben ist keine Option.“ Nun gut, dann gehen wir mal den ersten Anstieg an. Das Wort “gehen“ wird uns heute noch öfter begegnen.

Wir erreichen ein uriges Bergdorf. Eigentlich waren wir davon ausgegangen, dass oberhalb von Pezzo nichts mehr kommen kann. Wie die Menschen hier oben wohl ihr Leben bestreiten? Die Versorgung mit Lebensmitteln, Schule für die Kinder, etc. Und doch wirken die Menschen, denen wir begegnen, zufriedener als mancher in der Heimat.

Aber wenn jeder Tag mit so einem Ausblick beginnt, stellt sich wahrscheinlich auch automatisch eine gewisse Grundzufriedenheit ein.

Wir passieren den Dorffriedhof, kurze Zeit später liegt ein verendeter Fuchs am Rand. Unser Weg scheint gezeichnet vom Tod. Ein schlechtes Omen?

Ganz so schlimm ist es um Christoph nicht bestimmt. Aber in seinem Kopf reift der Gedanke, dass er die vollständige Etappe heute doch wohl nicht schaffen kann.

Die meiste Zeit geht es schiebend bergauf. Christoph lässt es langsam angehen. Man reiht sich in die Scharen von Wanderern ein. Oben am Berg muss etwas ganz besonderes sein. Ach nein, es ist Wochenende und die Italiener nutzen die Freizeit zum wandern.

Doch auch Mountainbiker sind heute in Scharen unterwegs. EBikes sind hier tatsächlich in der Minderheit. Die Beine der Biker, die an uns vorbei ziehen, sprechen Bände. Die Waden werden normalerweise in Deutschland bei der GSG9 eingesetzt, um Türen zu Beginn einer Hausdurchsuchung passierbar zu machen.

Kurve um Kurve arbeiten wir uns nach oben, bis wir endlich am Rifugio ankommen. Dort stärken wir uns mit einer Cola. Andre ergänzt innerlich seine Liste für die Zeit nach der Tour: “Ich packe meinen Koffer und nehme NICHT mit: Energieriegel, Cola.“ Hier ist dann auch der Zeitpunkt gekommen, wo Christoph offiziell verkündet, dass er später auf jeden Fall mit einem Bus zum Ziel hinauf fahren möchte.

Links die Raststation, rechts der Durchbruch, durch den wir müssen.

Jetzt wissen wir auch, was die anderen Mountainbiker hier wollen. Man zieht sich schnell trockene Klamotten an, lässt etwas Luft aus den Reifen und schon geht es wieder bergab.

Für uns geht es jedoch noch einmal 100 steile Höhenmeter hinauf bis zum Pass. Es erinnert uns an den Aufstieg von der Heidelberger Hütte.

Am Pass angekommen machen wir kurz ein Erinnerungsfoto und dann geht es bergab. Der Aufstieg hat uns viel Zeit gekostet. Doch auch der Weg bergab ist steil und verblockt. Unser Wandertag setzt sich fort.

2 Mountainbiker fahren die Strecke tatsächlich herunter, sonst überholt uns niemand auf unserem Weg nach unten.

Warum man einen Alpencross mit dem Fahrrad macht, wenn man doch so viel zu Fuß läuft? Zum einen ist der Anteil in Relation zur Gesamtstrecke dann doch äußerst gering. Zum anderen ist es die Philosophie der Albrecht-Route, möglichst viel im alpinen Gelände, abseits der Straßen, unterwegs zu sein. Und dafür muss man auch Fußwege auf sich nehmen.

Unter uns taucht der Stausee auf, auf dessen Höhe wir müssen. Bis dahin wird es aber noch einige Zeit dauern. Unsere Hosen rutschen permanent beim bergab laufen. Irgendwann wird es Christoph zu bunt und er holt seine andere Bike-Hose aus dem Rucksack. Die ist zwar noch etwas nass vom Waschen am Vorabend, aber rutscht wenigstens nicht.

Auch der Abstieg wirft unseren Zeitplan stark nach hinten und wir liegen jetzt bereits über 2 Stunden hinter unserer Orientierung von Komoot. Wir brauchen immer länger, als Komoot sich das vorstellt, aber heute ist es extrem. Bei den Wegen sollte man die Programmierer jedoch auch mal zu einem Vor-Ort-Termin bitten.

Die Staumauer ist wegen Reparaturarbeiten derzeit gesperrt. Das hatten wir im Vorfeld aber bereits über eine Facebook-Gruppe erfahren und die Strecke entsprechend angepasst.

Und nun geht es erst mal weiter ins Tal hinunter. In einem Ort haben wir uns einen Supermarkt ausgeschaut, in dem wir Essen und Trinken einkaufen wollen. Er ist verdächtig dunkel. Mittagspause ab 12:30 Uhr, es ist 13:30 Uhr. Die Arbeit setzt man ab 16:30 Uhr wieder fort. Das kann doch nicht wahr sein. 50 Meter weiter ist noch ein Supermarkt. Die Chefs scheinen sich aber abgesprochen zu haben.

Ein paar Kilometer weiter entdecken wir einen Supermarkt. “Durchgehend geöffnet“ steht dort auf italienisch. Andre hat mittlerweile herausgefunden, dass in Dimaro ein Bus bis nach Madonna di Campiglio fährt. Bis dahin sind es aber noch etwa 20 Kilometer. Wir wissen jedoch nicht, wie lange wir dafür brauchen werden und so muss Christoph seinen Platz im Schatten eher aufgeben, als ihm lieb ist.

Die beiden entscheiden, der Hauptstraße, statt des Radweges, zu folgen. Auf Teer kommen sie jetzt schneller voran. Es bläst ein starker, warmer Wind vom Tal herauf und selbst bergab muss getrampelt werden, damit die Räder nicht zum Stillstand kommen.

Andre hatte für sich entschieden, dass er aufgrund der späten Ankunftszeit in Dimaro auch den Bus nehmen wird. Es sind Gewitter angekündigt und der Aufstieg würde auch noch mal einige Zeit in Anspruch nehmen.

Wir erreichen Dimaro gegen 14:45 Uhr und somit viel früher, als Andre erwartet hatte. In den umliegenden Läden klären wir ab, ob der Bus auch wirklich Fahrräder mitnimmt. Nachdem das geklärt ist, gilt es nun, die Wartezeit bis 16:55 Uhr totzuschlagen.

In der Zwischenzeit hat sich ein anderer Biker zu Christoph gesellt. Auch er nimmt am heutigen Tag wegen Magenproblemen den Bus. Franz aus dem Allgäu und Christoph geraten ins Plaudern.

Andre rechnet derweil nochmal alle Parameter durch und entscheidet sich, doch die etwa 900 Höhenmeter nach Madonna in Angriff zu nehmen. Die Anzeichen für Gewitter sind verschwunden. Mit 2 gefüllten Wasserflaschen geht es los, nachdem Christoph signalisiert hat, dass es für ihn kein Problem ist. Er ist ja in bester Gesellschaft.

Der Anstieg ist teilweise steil und vor allem warm. Die erste Wasserflasche ist schnell geleert. Man kann oben gar nicht so viel einfüllen, wie man wieder ausschwitzt. Hoffentlich gibt es auch Wasserquellen zum nachfüllen!

Wie groß die Freude über das Lebenselixier sein kann! Es sollte die einzige Wasserstelle sein, aber es reicht bis zum Gipfel.

Derweil unterhalten Christoph und Franz sich über ihre Erlebnisse. Franz ist in Bezug auf Alpencross ein Wiederholungstäter. Wie es zu den Magenproblemen bei ihm kam? Er listet auf, durch welche Körperöffnungen die Pizza seinen Körper wieder verlassen musste. Details sollen dem Leser an dieser Stelle erspart bleiben. Franz baut aktuell in der Heimat einen Schwimmteich. Man tauscht Tipps zum Poolbau aus. Die Zeit bis zur Abfahrt des Bus vergeht wie im Fluge.

Zwischendurch schickt Andre immer mal wieder seine Fortschritte und verbleibende Höhenmeter.

Der Bus taucht auf, fährt jedoch an den beiden Wartenden vorbei. Es signalisiert, dass dies hier nicht seine Haltestelle ist und macht ein “Tretet in die Pedalen, Jungs“ – Symbol. Christoph und Franz hechten also dem Bus hinterher. Man möchte sich nicht vorstellen, diesen jetzt auch noch zu verpassen.

Im erreichten Bus sind die beiden die einzigen Fahrgäste. 35 Minuten Busfahrt mit Biketransport für zusammen 4,50€ pro Person. Und bei den Serpentinen verbraucht so ein Bus wohl etwas mehr, als bei uns zu Hause auf der Fahrt von Hünsborn nach Olpe. Öffentliche Verkehrsmittel sind hier wirklich günstig.

Oben angekommen schreibt Christoph eine Nachricht an Andre. Dieser befindet sich auf den letzten Metern und erreicht um kurz vor 6 nach 9,5 Stunden, 61 Kilometern und 2070 Höhenmetern das Hotel.

Und morgen steht bereits unsere finale Etappe nach Riva del Garda bevor. Unglaublich, wie die Woche verging…

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